Manche werden sich fragen, weshalb im Kaffee Lou Salomé Absinth im Angebot ist, schliesslich hört man nach wie vor nicht nur Gutes über die "Grüne Fee".
Die Geschichte und der Ruf von Absinth faszinieren mich schon lange und hier soll kurz dargestellt werden,
weshalb Absinth die Epoche des Jugendstils wie kein anderes Getränk geprägt hat.
Inhaltsstoffe und Herstellung
In Frankreich und der Schweiz hergestellter Absinth enthält ausser Wermut noch Anis, Fenchel, Ysop und Zitronenmelisse. Der Alkoholgehalt historischer Absinthe lag zwischen 45 % und 78 %. Das ätherische Öl des Wermuts enthält den Bestandteil Thujon, der in höherer Dosierung als gefährlich eingestuft wird und noch immer für Diskussionsstoff sorgt. Die grüne Farbe, die viele Absinthsorten aufweisen, stammt vom Chlorophyll der typischen Färbekräuter Ysop, Melisse und Minze. Klarer Absinth, auch ‚Blanche’ oder ‚La Bleue’ genannt, ist typisch für den in illegalen Destillerien in der Schweiz hergestellten Absinth. Der Verzicht auf die normalerweise für Absinth typische Färbung erleichterte den illegalen Verkauf.
Der Erfolg des Absinths
Im Algerienkrieg (1844-1847) wurde von Militärärzten eine Mischung aus Wein, Wasser und Absinth ausgeschenkt, um gegen Krankheitsepidemien und Wurmbefall vorzubeugen. Aus Algerien zurückkehrende Soldaten, die die Spirituose nicht nur als Heilmittel schätzten, machten Absinth in ganz Frankreich bekannt. Populär wurde das Getränk insbesondere in Paris, wo die Kriegsheimkehrer Absinth regelmässig in den späten Nachmittagsstunden in den Cafés genossen. Bereits um 1860 war die so genannte ‚heure verte’ im Alltagsleben französischer Metropolen etabliert. Absinthtrinken zwischen 17 bis 19 Uhr galt als chic und zu seinem Ruf als zeitgemässes Getränk der späten Nachmittagsstunden trugen auch die zahlreichen Trinkrituale bei, die sich rund um das Getränk etablierten.
Absinth war die erste hochprozentige Spirituose, bei der die sozialen Konventionen der damaligen Zeit es gestatten, dass Frauen, die nicht zur Halbwelt gehörten, sie in der Öffentlichkeit zu sich nahmen. Bereits zu Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte Absinth sich als Getränk der Boheme etabliert.
Absinth als Getränk der Künstler und Literaten
Wichtig für die Attraktivität des Absinths war sicherlich, dass er das Lebensgefühl der damaligen Zeit verkörperte. Absinth wurde zu einem Symbol für einen neuen und experimentellen Lebensstil. Es war modern waghalsig, anders und beschwipst zu sein und sich einem unkonventionellen Benehmen hinzugeben. Absinth hatte den Ruf Körper und Geist zu stimulieren und das Bewusstsein zu erweitern. Künstler fühlten sich von Absinth besonders angezogen, weil sie glaubten er würde sie inspirieren und den kreativen Prozess anregen. Während dem 19. Jahrhundert experimentierten viele Künstler und Schriftsteller mit Absinth, Opium und anderen Rauschmitteln. Zu den namhaftesten Absintheuren zählten Baudelaire, Verlaine, Rimbaud, Oscar Wilde, Manet, Degas, Toulouse-Lautrec, van Gogh, Gauguin und Picasso. Von der Beliebtheit, deren sich Absinth in diesen Kreisen erfreute, zeugen zahlreiche Anekdoten und Legenden sowie die vielen Gemälde und Gedichte, die den Absinth zum Sujet haben.
Folgen des Absinthkonsums und Verbot
Die unbestreitbar schädlichen Auswirkungen, die während des Höhepunkts der Absinth-Popularität im 19. Jahrhundert zu beobachten waren, werden heute auf die hohen konsumierten Alkoholmengen und die schlechte Qualität des Alkohols zurückgeführt. Bereits um das Jahr 1850 wurden Sorgen über die Folgen des chronischen Absinth-Konsums laut. Von einer Reihe von antialkoholischen Vereinigungen wurden immer wieder Versuche unternommen Absinth verbieten zu lassen, verschiedentlich sogar gemeinsam mit den Weinproduzenten. Ein spektakulärer Mordfall am 28. August 1905 in der Waadtländer Gemeinde Commugny war der letzte Anstoss, um Herstellung und Verkauf von thujonhaltigen Getränken in den meisten europäischen Ländern und den USA gesetzlich zu verbieten. In der Schweiz wurde das Absinth-Verbot aufgrund einer Volksinitiative aus dem Jahre 1908 als §32 in die Verfassung aufgenommen. Am 7. Oktober 1910 trat das Verbot in Kraft.
Nach dem Verbot liess die Schweizer Regierung die Absinthfelder umpflügen. Das ursprüngliche Herstellungsgebiet des Absinths litt am stärksten unter dem Verbot. Über ein Jahrhundert hatte man in dem eher ärmlichen Val de Travers vom Wermutanbau und der Absinth-Destillation gelebt. Die Destillation wurde heimlich weitergeführt und das Getränk wurde durch das Verbot zu einem Mythos. Ab 2001 wurde im Val de Travers neben illegalem Absinth auch eine legale Absinth-Variante produziert. Noch vor der Absinth-Legalisierung in der Schweiz am 1. März 2005 bemühte man sich, Absinth als intellektuelles Gut des Val de Travers unter dem IGP, dem ‚indication géographique protégée’ schützen zu lassen.
Bibliographie
• Baker, Phil. The Dedalus Book of Absinthe. Dedalus. Sawtry, 2000.
• Conrad, Barnaby III. Absinthe. History in a Bottle. Chronicle Books. San Francisco, 1988.
• Lanier, Doris. Absinthe. The Cocaine of the Nineteenth Century. A History of the Hallucinogenic Drug and its Effect on Artists and Writers in Europe and the United States. McFarland & Company, Inc. Publishers. Jefferson, N.C.,1995.
• Nitsche, Diana. Absinth. Medizin- und Kulturgeschichte einer Genussdroge. Diss., Universität Heidelberg. Heidelberg, 2005.